ÖH-Fraktionen wollen größtes Studi-Partizipationsprojekt einschränken und dem Fraktionen-Hick-Hack aussetzen
Die Unabhängigkeit des TutPro steht auf dem Spiel
Kurz vor den Osterferien hat uns völlig aus dem Nichts heraus die Info erreicht, dass die bewährte partizipationsorientierte Struktur des Unabhängigen Tutoriumsprojekts (TutPro) von einigen ÖH-Fraktionen in einem Schnellschuss verändert werden soll: diese wahlwerbenden ÖH-Fraktionen wollen hin zu einer TutPro-Struktur, die allein von den ÖH-Fraktionen kontrolliert wird und auch nur noch von einer angestellten Person administrativ verwaltet werden soll. Themen-Tutorien zu Themen gesellschaftlicher Diskriminierug sollten überhaupt ersatzlos gestrichen werden.
Der von der Aktionsgemeinschaft (AG) gestellte Antrag auf der BV-Sitzung Anfang April wurde nicht angenommen; die Entscheidung über die Zukunfts des TutPro vorerst in eine Arbeitsgruppe verschoben, um am 11. Mai 2017 bei einer Sonder-BV-Sitzung über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzustimmen.
Wir haben uns in den letzten Wochen bemüht, offen zu kommunizieren und unsere Bedenken zu äußern und verständlich zu machen. Leider ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe und somit die Grundlage für den Antrag dennoch untragbar.
Fraktionen-Unabhängigkeit soll abgeschafft werden,
etablierte Partizipationsräume für Studierende stehen vor dem Aus
Die drohende Strukturänderung bedeutet in erster Linie, dass die Unabhängigkeit – einer der wichtigsten Grundsätze des TutPros – und damit auch die Überparteilichkeit aller Projektteile und Ebenen des TutPro akut gefährdet sind.
Außerdem werden die dreimal pro Jahr stattfindenden Koordinationstreffen sämtlicher Entscheidungskompetenz beraubt: Koordinationstreffen sind dazu da, Entscheidungen im TutPro partizipativ und konsensorientiert zu treffen (und sind somit ein sehr niederschwelliger Zugang zu ehrenamtlicher Mitgestaltung von Studierenden für Studierende). Zu den Koordinationstreffen des TutPros werden österreichweit alle Tutoriumsteilnehmer_innen und alle interessierten Studierenden eingeladen – dabei kommen im Schnitt 20-40 Studierende unterschiedlicher Studienrichtigen, Universitäten, Bundesländer zusammen und arbeiten völlig ehrenamtlich, fraktionsunabhängig und engagiert jeweils ein Wochenende an der Weiterentwicklung des TutPros.
Der Plan zur Strukturveränderung wurde von mehreren ÖH-Fraktionen (aus der aktuellen Exekutive & Opposition) verfolgt und nun soll der nach wie vor äußerst unausgegorene Entwurf der Arbeitsgruppe auf der nächsten Sitzung der ÖH-Bundesvertretung am 11. Mai 2017 (noch vor der ÖH-Wahl!) überstürzt beschlossen werden. Besonders frappant: die ersten Diskussionen dazu wurden nur zwischen den Fraktionen geführt und absichtlich vor dem TutPro geheimgehalten: eine Einbindung und Beratung mit der aktuellen TutPro-Zentralkoordination (5 Personen, die auf den Koordinationstreffen gewählt werden) und der TutPro-Koordinationstreffen sollte somit offenbar gezielt verhindert werden, um den Fraktionenbeschluss über die Köpfe des Projekts hinweg durchzusetzen.
Das TutPro soll unabhängig von Fraktionsinteressen bleiben:
Wir wollen auch weiterhin ein breites österreichweites ÖH-Projekt, das nicht dem Hick-Hack von Fraktionsinteressen ausgesetzt ist, sondern davon unabhängig jährlich über 90 Ausbildungsseminare für Tutor*innen österreichweit anbietet, in denen nicht Fraktionsinteressen, sondern Gruppenleitungskompetenzen und unabhägige Ideenrealisierung im Mittelpunkt stehen. Fakt ist: Insgesamt werden über das TutPro an österreichischen Universitäten pro Jahr über 900 Tutor*innen ausgebildet, die wiederum an ihren Studienrichtungen circa 9.000 Erstsemestrige und Studierende in ihren Tutorien begleiten.
Das TutPro soll weiterhin thematische Ausbildungsseminare anbieten:
Diese richten sich an Gruppen von Studierenden, die an der Universität von Diskriminierung betroffen sind (vgl.ÖH-Studie zu Diskriminierungserfahrungen) und wurden gerade in den vergangenen 10 Jahren zunehmend in Anspruch genommen. Deren direkte Abschaffung konnten wir in der Arbeitsgruppe verhindern; laut dem vorliegenden Antrag und den zugehörigen Richtlinien ist aber keine detaillierte Regelung für Ausbildungsseminare für Thementutorien vorhanden. Diese Seminare müssen auch weiterhin konkret zur Stärkung von Studierenden, die von gesellschaftlichen Ausschlüssen eher betroffen sein können (zB Altersdiskriminierung an der Uni, Sexismus, soziale Herkunft, Behinderung, etc.) beibehalten werden.
Das TutPro soll weiterhin breit, partizipativ, konsensorientiert und unabhängig echte Mitgestaltung ermöglichen:
Wir wollen, dass gerade Studierende, die nicht zu einer bestimmten ÖH-Fraktion gehören, einen Raum für Mitbestimmung in der ÖH-Welt und an der Uni erhalten. Durch die weitergetragene TutPro-Expertise, wie kontinuierlich neue engagierte Studis ins TutPro eingebunden werden können – beispielsweise durch Vernetzungstreffen, durch Kongresse für Tutor*innen, Workshops mit Trainer*innen, … – und besonders durch die österreichweiten regelmäßigen Koordinationstreffen haben in den letzten Jahrzehnten viele unabhängige Studierende ihren Weg ins TutPro gefunden und sich für andere Studierende engagiert. Die Offenheit des TutPro für Studierende und neue Projektgruppen wird gerade dadurch gewährleistet, dass keine ÖH-Fraktion – egal wer gerade an der “ÖH-Macht” ist – dem Projekt ihre Interessen aufzwängen kann.
Wir haben in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche mit den fraktionierten ÖH-Entscheidungsträger*innen geführt und haben uns gemeinsam dafür eingesetzt, das TutPro in seiner jetzigen fraktionsunabhängigen Struktur beizubehalten und dessen Notwendigkeit zu erklären.
Nachdem unsere Bedenken von einigen Fraktionen nicht geteilt wurden, rufen wir auf, bei der bevorstehenden BV-Sitzung am 11. Mai 2017 gegen den aus der Arbeitsgruppe hervorgebrachten Antrag, der einen Vorschlag für eine neue Vereinbarung mit dem Ministerium als auch Richtlinien beinhaltet, zu stimmen.
Unsere Erfahrung zeigt: Das TutPro besteht seit Jahrzehnten und schafft auch heute noch einen wertvollen Kontrapunkt zu kürzlich etablierten Mentoring-Programmen an den Universitäten, da das TutPro immer “bottom-up” organisiert war und nie eine “top-down” Struktur für die unabhängigen Projektgruppen vorgab. Dadurch erhalten unterrepräsentierte Themen und Anliegen Raum – Vielfalt wird gefördert!